Unverhoffter Besuch.
Es war wieder einer dieser nasskalten Tage, an denen man im Dunkeln aus dem Haus geht und bei Finsternis wieder von der Arbeit nach Hause kommt. Der zweite Advent war schon vorüber, aber so recht wollte keine vorweihnachtliche Stimmung aufkommen, obwohl die Wohnung recht passabel festlich geschmückt war.
Geschafft von der Arbeit, kochte ich mir einen Tee, zündete drei Kerzen an und kramte eine original Crottendorfer Räucherkerze hervor. Diese hielt ich zwischen Daumen und Zeigefinger an die Flamme einer Kerze bis die rote Glut an der Spitze des Räucherkegels zu sehen war. Dann stellte ich sie auf den Boden des bunt bemalte Blechhäuschens.
Ich setzte mich auf den Stuhl, wärmte meine Hände an der heißen Teetasse und schaute dem Rauch zu, wie er in sanften Stößen aus dem Schornstein des blechernen Häuschens entwich. Gedankenverloren lauschte ich der Musik, die im Hintergrund sanft aus dem Radio dahin plätscherte.
Plötzlich klingelte es an der Tür. Ich erschrak ein wenig, denn ich erwartete niemanden. Vorsichtig ging ich in den Flur, sah durch den Türspion und sah gleich noch einmal hindurch: Draußen stand Elvis in einem kitschigen roten Weihnachtsmannmantel. Ich rieb mir die Augen und öffnete langsam die Tür. Der Mann, den ich für Elvis hielt, lächelte und ich bat ihn hinein. Er war sogar so höflich und zog seine dicken Winterstiefel aus, seinen roten Samtmantel mit dem weißen Plüschbesatz wollte er jedoch anbehalten.
Wir gingen in die Küche, ich bot ihm eine Tasse Tee an, denn er sah ziemlich verfroren aus. Ich wollte von ihm wissen, warum er gerade zu mir gekommen ist, denn ich war schon etwas verwirrt. Er beantwortete meine Frage nicht, aber wir unterhielten uns über vergangene Zeiten und wie schön es damals war. Anders als jetzt, in dieser hektischen und turbulenten Zeit. Er strich sich beim Erzählen gekonnt mit der rechten Hand durch seine Tolle, die wie immer perfekt gestylt war. Ein kräftiger Schluck Rum machte den Tee süffiger.
Zwischendurch sangen wir zusammen Weihnachtslieder, wobei ich neidlos anerkennen musste, warum Elvis ein Sänger war und ich nicht. Aber den Hüftschwung wollten wir aus alkoholtechnischen Gründen dann doch nicht mehr probieren, denn die Rumflasche war schon fast leer. Von den Keksen, die ich zwischenzeitlich herbeigeholt hatte, lagen auch nur noch wenige Krümel auf dem Teller.
Mit einem Male erhob sich der King und verabschiedete sich doch recht schnell, „Er müsse weiter.“, sagte er. Etwas schwerfällig zog sich Herr Presley seine Stiefel an, zupfte den Mantel zurecht und als er draußen auf der Treppe stand, dreht er sich noch einmal um, zwinkerte mir zu und rief: „Fröhliche Weihnachten!“
Total überwältigt von dem unverhofften Besuch, torkelte ich in die Küche zurück. ‚Es war wohl doch zuviel Rum im Tee.‘, dachte ich. Die Kerzen waren fast herunter gebrannt. Dann hörte ich den King schon wieder. Aus den Lautsprecherboxen des Radios tropfte: „Santa Claus is back in town“. Elvis, du Schelm!