Das Paradies aus dem Versandhauskatalog.

Die gewitzten, wie auch tiefsinnigen Äußerungen von Alexandra Tobor alias @silenttiffy verfolge ich schon fast drei Jahre auf Twitter. ‚Wer kleine Kunstwerke in 140 Zeichen packt, dessen Bücher müssen einfach Freude beim Lesen machen ‚, dachte ich und war voller Erwartung auf ihr erstes Buch.

Nun ist es endlich erschienen. Es trägt zwar den etwas sperrigen Titel „Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer“, dafür ist die Coverillustration sehr gelungen und ich platzte bald vor Neugier in Erwartung des Inhaltes.

Gleich auf den ersten Seiten wurde mir klar, dass der Roman voller skurriler Begebenheiten und schrulliger Menschen sein wird. Das Lesen ging immer schneller, bis das Buch plötzlich ausgelesen war. Mein Herz pochte, das Kopfkino lief auf Hochtouren.

Es ist eine Migrationsgeschichte, die in Polen im Jahr 1986 beginnt. Drei Jahre später, soll die Familie der inzwischen achtjährigen Alexandra, genannt Ola, kurz vor der Wende den polnischen Onkel in Westdeutschland besuchen. Den „Goldenen Westen“ kennt das Mädchen jedoch bisher nur aus dem Versandhauskatalog. In Deutschland angekommen, kommt es zu einem Kulturschock, den nicht nur Ola, sondern auch die Eltern verdauen müssen. Nur ihr kleiner Bruder bekommt das alles noch nicht so mit. Olas Erkenntnis kommt recht bald, dass Westdeutschland gar kein Paradies ist, wie es der Versandhauskatalog vorgab und das westliche Gold teilweise auch schon arg abgebröckelt ist.

Die Story wird aus Olas Sicht erzählt, was dem Lesen unheimlich gut tut, denn man fiebert so viel stärker mit dem Mädchen mit. Es gibt Situationen, da muss man einfach lachen, an anderen Stellen schmunzeln und einige Male bleibt das Lachen im Halse stecken. Diese Wohldosiertheit macht den Charme dieses Romans aus. Vorurteile gegenüber anderen Kulturen werden ausgesprochen, widerlegt oder bestätigt. Feine Ironie durchzieht die Story und jeder bekommt sein Fett weg. Der Eine mehr, der Andere weniger. Alexandra Tobor hat eine unglaublich feinsinnige Art von Humor. Einfach köstlich.

Zu keinem Zeitpunkt wirkt die Geschichte belehrend, aber sie regt zum Nachdenken an. Es ist ein Buch für das Herz, für die Erinnerungen an die turbulente Zeit, als die Mauer fiel und viele von Heute auf Morgen eine neue Kultur kennenlern(t)en (mussten). Dennoch bleibt die Grundidee der Story aufgrund der Thematik immer aktuell.

Ich kann dieses grandiose Buch jedem uneingeschränkt empfehlen.

Zwei Wermutstropfen jedoch bleiben: Ich träumte letzte Nacht von Oma Gretas Haarturm und zweitens stellt sich die Frage: Wie lange müssen wir auf das nächste Buch warten?

Alexandra Tobor – Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (ISBN-10: 3548283748)

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