Schneetage in Dresden
Anfang Februar kam dann doch noch der Winter. Es schneite heftig und sogar in der großen Stadt blieb der Schnee liegen und verursachte ziemliches Verkehrschaos auf den (Neben)straßen. Die Temperaturen kratzten zeitweise an der 20 Grad Marke unter Null. Es war ein Winter, wie ich ihn nur aus russischen Märchenfilmen und den Erinnerungen aus frühester Kindheit kannte.
Der erste große Schneefall war etwas besonderes, denn hier wurde der Streusand gleich inklusive geliefert, was den Winterdienst hätte eigentlich freuen müssen. Der sogenannte „Blutschnee“ war vermengt mit feinsten Sandkörnern aus der Sahara, welcher die sonst weiße Pracht orange bis rötlich schimmern ließ. An dieser Stelle sei bemerkt, dass der besonders am Straßenrand kleinflächig auftretende gelbe Schnee kein Zitronensorbet ist und vom Genuß desselben dringend abgeraten wird!
Natürlich war es nervig, in der frühmorgendlichen Eiseskälte halbmüde das Auto von Schnee und Eis zu befreien, aber ein bisschen Morgensport tut wohl jedem gut. Das eigentliche Problem war aber, aus der Parklücke zu fahren, denn der Schneepflug hatte in der Regel einen Schneewall vor die Fahrzeuge geschoben. Dazu muss man wissen, dass mein Bolide quer zur Straße und leicht abschüssig steht. Was war ich deshalb froh, wenn der Pflug noch nicht da war. So begann der Start in den Tag mit fahrerischem Können, etwas Glück und ein wenig Angstschweiß, der sich trotz Kälte auf der Stirn bildete.
An den Wochenenden ging es innerhalb des coronabedingten 15 Kilometer Radiusses zur näheren Erkundung des Stadtrandes: Der Trümmerberg in Hellerberge, die Dresdner Heide mit all ihren bekannten und weniger besuchten Highlights, die Kaitzer Höhe und das Kaitzer Loch, die Babisnauer Pappel, samt der Entdeckung der hierzulande noch seltenen Lindenwanzen, die zu Dutzenden zappelnd auf dem Schnee unter den Linden lagen. Sie wurden wohl von der plötzlichen Kälte überrascht.
Der Große Garten war voller Menschen, wie es Goethe erst zu Ostern prophezeiht hat. Auf dem zugefrorenen Palaisteich und dem Carolasee genossen die Menschen schlittschuhlaufend, eishockeyspielend oder einfach nur zuschauend das kaiserliche Winterwetter. Viele Menschen schnallten sich die Ski unter die Füße und übten für die Stadtmeisterschaften im Skilanglauf. Auf den breiten Wiesen links und rechts der Elbe war dieses Schauspiel ebenso zu bewundern. Dazu kam, dass die Natur dort besonders schöne Eiszapfen und sonstige winterliche Kreationen erschuf. Das glaubt man nicht, wenn man es nicht mit eigenen Augen sah.
Plötzlich, es begann an einem Dienstag, schnellten die Temperaturen nach oben, fast in dem Maße, wie sie Tage vorher im negativen Bereich waren. Auf den Straßen gab es regelrechte Seen streusalzgetränkten Schmelzwassers, welches aufgrund des noch gefrorenen Boden und der zum Teil vereisten Gullys nicht so schnell abfließen konnte. Besonders an den Straßenkreuzungen, an denen der Schnee in Haufen zusammengeschoben lag, brachte der tags zuvor gefrorene Schneeharsch für die Leute eine feuchte Überraschung, welche weder Gummistiefel, noch Schuhe mit wasserabweisender Membran trugen. „Alles Schneemätsch!“ würde das Rennpferd Alexander aus dem Film „Die fliegende Windmühle“ sagen. Und recht hat er!
Innerhalb kürzester Zeit kam das Grün des Rasens zum Vorschein und in wenigen Tagen haben sich die Winterlinge, Schneeglöckchen und die Krokusse ans Tageslicht gekämpft und wollen damit dem Winter Paroli bieten. Die Vögel beginnen schon mit den Balzrufen und dem Nestbau. Die Menschen werden es den gefiederten Freunden kurzerhand nachtun. Und ehrlich, von mir aus kann der Frühling gern kommen.