Im Roggenfeld.
Nur ein paar hundert Meter von der Landstraße entfernt, fahre ich den ausgefahrenen Feldweg mit dem Rad entlang. Der Horizont flimmert in der Hitze. Ich ziehe eine mächtige Staubwolke hinter mir her, als wöllte ich eine ganze Armee an Verfolgern einhüllen und mein Ziel verbergen.
Am Wegesrand wechseln sich Rispengras, Trespe und Quecke ab, unterbrochen vom Blau der Kornblumen, dem Rot des Klatschmohns und dem Gelb des Rainfarns. Ein wahrer Farbenschmaus!
Links und Rechts von mir wogt der Roggen hellgrün im Wind. Ich halte an und lege mich inmitten der schaukelnden Gräsertürme. Welch Wunder der Architektur, solch ein Halm. Und dann Abertausende davon auf engstem Raum. Ob ein Mensch jemals solch eine Struktur errichten kann?
Leise säuselt eine Brise durch das Getreidemeer. Ich schnuppere den Duft des unreifen Korns. Einige Schwalben segeln spielerisch über das Kornfeld.
Ich atme tief ein und erinnere mich an die Sommerferien als Kind bei meinen Großeltern, als ich mit dem Rad gleich hinter das Dorf fuhr, mich ins Kornfeld legte und den Himmel beobachtete. Dabei versuchte ich, in den Wolkenbergen Tiere zu sehen. Es gab Tage, da schwebte ein ganzer Zoo am Himmel vorüber. Manchmal winkte ein Nilpferd hinab oder die Giraffe nickte mir zu. Drei kleine Schimpansen alberten herum und wollten schneller als der Elefant sein, doch der ließ sie nicht vorbei. Das Krokodil hatte irgendwie den Anschluss verpasst und zieht mit kurzen Beinen ein Stück hinter den anderen Tieren am Himmel entlang.
Als ein dicker Feldmaikäfer plump auf meinem Gesicht landet, erschrecke ich leicht. Ich muss wohl eingenickt sein. Allertiefste Zufriedenheit durchflutet mich. Ich blinze gegen die Sonne, lächle vor mich, steige auf das Rad und fahre langsam zurück in die Zivilisation.