Der etwas andere Frühling.

Ich sitze am offenem Fenster, ein lauer Luftzug umweht meine Gedanken und ich lausche dem scheinbar disharmonischen Konzert, welches die Vögel draußen veranstalten. Dabei koordinieren die gefiederten Zweibeiner nur den Nestbau oder Frau Meise diktiert Herrn Meise die Einkaufsliste für das Futter der kleinen Piepmätze. Die Sonne scheint und die ersten Blüten an Bäumen und Sträuchern verströmen einen betörenden Duft. Der Frühling ist da und doch ist irgendetwas anders.

Es fehlen die Geräusche der Menschen. Kinderlachen und kleine Streitereien um die Sandformen auf dem Spielplatz. Gespenstisch leere Straßen und Gehwege. Nur hier und da fährt ein PKW oder ein Lieferwagen monoton surrend durch die Stadt. Ein wenig erinnert das an die Anfangsszene von Der Omega Mann (oder die der Neuverfilmung I am Legend), nur das sich im Hier und Jetzt die Natur noch nicht ihr Revier zurück erobert hat.

Der Coronavirus lässt die Welt entschleunigen. Mit allen positiven und negativen Konsequenzen. Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote werden behördlich verordnet. Durch die Schließung von Geschäften und Restaurants gibt es Kurzarbeit und bedrohte Existenzen. Manche sprechen vom Beginn einer weltwirtschaftlichen Rezession.

Kindergärten und Schulen haben geschlossen, die Kinder und vor allem die Eltern erfahren das Lernen zu Hause in voller Härte. Homeoffice bekommt einen ganz neuen Stellenwert und so manche Beziehung wird dabei auf eine harte Probe gestellt. Eltern und Großeltern können nicht besucht werden. Das zehrt an den Nerven.

Die fehlenden sozialen Kontakte in Form von echten Treffen machen den meisten Menschen zu schaffen. Soziale Netzwerke und auch Videotelefonie kann das alles nicht ersetzen. Sommerurlaub gibt es dieses Jahr wohl nur auf Balkonien oder auf der Datsche. Aber das ist wohl das kleinste Problem.

Das normale Leben ist so richtig aus den Fugen geraten. In solchen Extremsituationen zeigen sich die wahren Charakterzüge der Menschen. Auf der einen Seite gibt es egoistische Hamsterkäufer von Klopapier, Mehl oder Nudeln, auf der anderen Seite steigt die Hilfsbereitschaft in Form von verstärkter Nachbarschaftshilfe oder die Solidarität beim Nähen und Verteilen von Gesichtsmasken.

Niemand weiß, wie lange diese Ausnahmesituation noch andauern wird. Das hängt zum Großteil von der Disziplin der Menschen ab, die vorgeschriebenen oder empfohlen Maßnahmen zu beachten. Doch eine große Anzahl der vermeintlich höchstentwickelten Spezies dieses Planeten schert sich nicht um diese Dinge. Das gilt es zu ändern, die Frage ist nur, ob das der vernünftige Teil der Menschheit schafft.

Sobald ein Impfstoff oder eine andere Form des Gegenmittels gefunden wird, entspannt sich die Situation wahrscheinlich. Doch wir sollten gewarnt sein, denn solche Viren tauchen immer wieder auf. Aber vielleicht sind wir dann besser vorbereitet und können schneller zielgerichtet handeln.

Die Coronasituation birgt auch Chancen. Die Digitalisierung auf allen Ebenen wird in Zukunft schneller voranschreiten. Angefangen vom Lernen der Schüler oder Studenten bis hin in die zum Teil angestaubte Arbeitswelt. Dienstreisen und somit auch Zeit und Ressourcen könnten gespart werden. Die Umwelt wird es uns danken.

Zukünftig werden wir Dinge im Alltag mit anderen Augen sehen (müssen). Ein sensibler und verantwortungsvoller Umgang mit der Natur und dem Leben ist unausweichlich. Achtsamkeit und Minimalismus sollten in das primäre Bewusstsein der Menschen rücken. Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man.

Während ich über diese vertrackte Situation sinniere, summt eine Biene ins Zimmer, zieht ein paar Schleifen um den Monitor, als wollte sie mir sagen: ‚Jetzt höre auf zu grübeln und erfreue dich am Augenblick!‘ Und der schwarz-gelbe Hautflügler hat recht. Ich gehe jetzt hinaus und genieße den Frühling.

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