Seelenbaum.
Als ich letztens mit meiner Tochter durch den Winterwald schlenderte, erinnerte ich mich eines Filmes, den ich kürzlich sah. Dort versuchte der Vater seiner etwa neunjährigen Tochter bei ihren Waldspaziergängen die Schönheit der Natur und vor allem die Faszination der Bäume näher zu bringen. Er erklärte ihr, dass jeder Mensch einen Seelenbaum hat, dem er alles anvertrauen kann. Ein Baum, der so ist, wie der Mensch, innerlich und äußerlich. Es ist jedoch sehr schwer, den richtigen Baum zu finden. Manche suchen ihn ein Leben lang und finden ihn nicht.
Im Winter, wenn kein Laub an Ästen und Zweigen hängt, sieht man die Seelen der Bäume besonders gut: Die krummen, verwachsenen Stämme; welche mit abgebrochene Ästen; andere mit Beulen oder Baumpilzen. Die mit dicken, furchigen Stämmen und gleich daneben die ranken und schlanken, fast makellosen Exemplare. Bäume mit hohlem Stamm und solche, die mit Moos bewachsen sind. Bäume, die so verschieden sind, wie wir Menschen auch.
Dies alles erzählte ich meiner ebenfalls neunjährigen Tochter, die sehr interessiert zuhörte. Während wir weiter den Weg entlang stapften, betrachteten wir die Bäume und überlegten, welcher von ihnen zu uns passen könnte. Ich zeigte auf eine kleine schlanke Buche und meinte, dass er doch ganz gut zu meiner Tochter passen würde. Sie bejahte dies, wollte aber noch einmal darüber nachdenken. Wenig später wies sie auf eine dicke, knorrige Eiche, schaute mich ernst an und sagte, dass dies mein Seelenbaum wäre.
Ich schaute wohl ein wenig zu unglaubwürdig entsetzt und dann fingen wir beide an zu lachen. Es ist wohl doch nicht so einfach, sein Baumäquivalent zu finden.