Der verlorene Frühling.

Erst warteten wir auf den Winter, der dann doch nicht kam. Dann sehnten wir den Frühling herbei. Erst war es lange trocken, dann regnete es, der Wind zersauste so manch mühsam frisierten Frauenkopf und frisch gescheiteltes Jünglinghaar. Später wurde es warm und plötzlich wieder kalt. Es schien, als wäre Petrus das Rezept für den Frühling verloren gegangen.

Die Vögel fingen bereits an, ihre Nester zu bauen, legten aber, verwirrt durch die Wetterkapriolen, einen Baustopp ein. Doch kaum blinzelte die Sonne zwischen den Wolken hervor, zwitscherten sie wieder ihre Liebeslieder. Jede Vogelart für sich und das schon sehr zeitig in der Frühe. Ein regelrechtes Krachkonzert, bei dem wir Menschen uns wünschen, der Dirigent möge aus seinen Winterschlaf erwachen. Dennoch lauschen wir voller Vorfreude den Frühlingsliedern der heimischen Vögel. Verkünden sie doch den Beginn der warmen Jahreszeit.

Nach ein paar warmen Tagen strotzt der Apfelbaum voller Saft. Dann kommen die Stieglitze und picken die saftigen Blütenknospen ab. Nach dem Fressen fliegen sie mit einem Sack voller Septemberäpfel in ihren Bäuchen davon. Dabei zwitschern sie, als wäre jede verspeiste Blüte die Note eines fröhlichen Frühlingsliedes.

Während ich noch wehmütig an die geschmälerte Apfelernte denke, lässt sich keine zwei Meter vor mir ein Tagpfauenauge auf dem Weg nieder. Nun bin ich gewiss: Petrus hat das Rezept für den Frühling doch noch gefunden.

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